Familie Löhr und Greta
Im Mai 2009, ich war nach dem Tod meines letzten Hundes 1 Jahr ohne Hund, traf meine Schwester eine Truppe Leute im Wald mit ganz reizenden Strubbel-Tieren. Sie sagte mir, die kommen aus dem Ausland, geh doch mal auf die Homepage, die haben sehr nette Pflegis in Deutschland.
Ein paar Tage später also denke ich: och, guck doch mal –anschauen kostet ja nix. Hatte aber den Namen der Organisation vergessen (es war „griechische Pfötchen“) und gebe in google irgendwas mit Pfoten…Hilfe … ein. Es erscheint die PHU und ich sehe mich dort um. Nur gucken.
Nach einem Viertelstündchen entdecke ich das Bild von Koko – und es macht „rumms“ in meinem Herz. Das ist MEIN Hund.
Ich studiere die Seite, Hintergrund, Bedingungen, etc. Eine halbe Stunde später rufe ich mit Herzklopfen die Vermittlerin an. Es stellt sich heraus, dass Koko schon vergeben war, aber kurz vor Ausreise noch abgesagt wurde (Juchu, die Deppen!). Ich fülle also in windeseile und epischer Länge den Fragebogen aus, und rufe 10 Minuten später wieder an, wie`s mit der VK aussieht – heute? Nein? Dann morgen?
Die nette Vermittlerin, Regina Kubiak, bremst mich ein wenig ein. Nun ist warten auf die VK angesagt. Das dauert fast 2 elend lange Wochen, während MEIN Hündchen einsitzt und allen möglichen Gefahren ausgesetzt ist. Diese Zeit verkürze ich mir, indem ich die Bilder von Koko ausdrucke, sie überall im Haus anklebe und anstarre. Außerdem zeige ich jedem, ob interessiert oder nicht, die Bilder und stelle Suggestiv-Fragen : schau mal, die ist doch wohl soooooooooooo süß, und bestimmt gaaaaaaaaaaanz nett und Du meinst sicher auch, ich soll das machen?
Die VK kommt. Nettes Gespräch, alles gut. Warten auf Freigabe – wie kann das länger als 2 Stunden dauern? Dann 3 x täglich auf die Homepage: wann kommt endlich das „reserviert“. Ein großer Stein fällt vom Herzen, als es da ist.
Die Gespräche mit meinem Mann werden sehr einseitig. Ich monologisiere über Koko. Es gab da ohnehin keinen Widerstand, denn mein Mann kennt mich zu gut, als dass er seine Energie an Stellen verschwendet, wo sowieso jeder Widerspruch zwecklos ist. Der Transport soll im Juni sein. Ich plane 1 Woche Urlaub und fange an zu träumen.
Koko soll etwas schüchtern, 55 cm groß und 3-4 Jahre alt sein. Ich vermesse die vorhandenen Körbchen. Könnten kleiner sein (Lotte, der gute Hund davor, war ein Wolfshundmischling mit 70 cm), naja, wird schon gehen für das kleine Würmchen. Aber neue Decken müssen her. Und Futter. Und Spielsachen.
Ich male mit Stiften an die Küchenmöbel in 55 cm Höhe einen Strich und denke mir meinen Hund darunter (ist ja klein für meine Gewohnheiten). Ich lese endlos Beiträge über Umgang mit Hunden aus dem Auslandstierschutz, obwohl ich immer Heimtiere hatte. Ich unterhalte mich mit der alten Luga, der Galga meiner Schwester aus Spanien, darüber, was zu beachten ist und wie es bei ihr war:
Sie meint, ich krieg das schon hin. Sie ist heikel mit anderen Damen. Ich erkläre ihr, sie muss sehr nett sein. Es wird eine Liste mit möglichen Namen angelegt und diskutiert. Es bleibt eine Auswahl von ca 10. Entscheidung soll fallen, wenn ich sie sehe, dann werde ich wissen, was passt. Die Zeit zieht sich wie Kaugummi. Wochen werden zu Monaten.
Ich habe schon 4 Hunde gehabt, aber noch nie einen „blind“ übernommen. Alle kamen aus Tierheimen, aber immer konnte ich sie vorher sehen und kennenlernen. Ich habe zwischendurch ordentlich Angst, was ich da tue, ob es gut gehen wird…. Zerlegt sie die Wohnung? Bellt ununterbrochen? Wird sie sich wohlfühlen? Da hilft nur erneutes Anstarren der Bilder.
Noch eine Woche! Ich bin so aufgeregt. Dann der Anruf von Regina: sie kann nicht kommen, im Tierheim ist Pavro ausgebrochen, Quarantäne, nichts geht. Ich bin in Tränen aufgelöst. Regina fragt, ob ich denn warte oder absage. Was für eine Frage: das ist doch MEIN Hund! Die Frage muss heissen: was kann ich tun, um sie zu schützen? Nix. Warten, hoffen auf Juli.
Lange, elende Wochen ziehen dahin. Ab und zu Anrufe bei Regina, wie es steht, ob es Koko gut geht (nicht, dass da noch 400 andere Hunde einsitzen…, sicher weiss ja jeder da genau, wie es ausgerechnet Koko gerade heute so geht). Ich bin in Sorge: sie ist ja schüchtern und musste jetzt in einen größeren Zwinger – schafft sie dass, nicht, dass sie gebissen wird…
Der Juli naht. Transport-Termin erscheint auf der Homepage. Freeeeeeeeeude! Verschwindet nach 4 Tagen wieder. Regina: immer noch Quarantäne, kein Transport. Ich drehe langsam durch. Ob ich bitte selber fahren kann und meinen Hund abholen kann. Sie will klären, ob sie überhaupt einen Hund raus lassen dürften und die nötigen Impfen alt genug sind. Antwort: nein. Geheule. Warten.
Es ist eine harte Prüfung. Meine Nerven werden dünn. Meine Freunde würden gern mal über was anderes reden, geht aber nicht. Mein Mann schlägt Tranquilizer vor und erwägt, allein zu verreisen, bis das vorbei ist. Die beste aller Schwestern stöhnt. Es geht hin und her: die Freude auf Koko, die Ängste, ob dann alles klappt, ob sie durchhält, ob es ihr gut geht, ob sie sich nicht ansteckt (es sterben damals einige, besonders die ganz Kleinen natürlich, es ist gruselig).
Der Transport wird mehrfach angekündigt und immer wieder verschoben. Meine Nerven sind runter. Eeeeeeeeeeeeeendlich, Ende August, am 31.08. soll sie wirklich kommen. Herzklopfen.
Ich fahre nach Hannover, natürlich bin ich knapp 2 Std. vorher da, 24:00 statt 02:00 morgens. Nach einer Stunde erscheint die nächste Übernehmerin. Transport hat ein wenig Verspätung. Man läuft auf und ab. Geht endlich an die Theke, einen Kaffee trinken (habe ja 24 Std. nicht geschlafen). Da klingelt das Handy: wo ich sei, Transport ist da. Ich renne raus. Da ist er.
Koko muss lang gelockt werden, um auszusteigen. Sie hat Angst. Dann erscheint zaghaft der Kopf in der Tür (hinter der Leberwurst). Oh Gott. Ist die schön und süß. MEIN Hund ist da. Sie schmeisst sich gleich hin und lässt sich flusen.
Ich bin hin und weg. An Pipi machen nicht zu denken, sie ist aufgeregt und gleichzeitig sehr erschöpft. Ins Auto heben, ab. Ich sehe und höre nichts die ganzen 2,5 Std. Fahrt.
Zu Hause muss ich sie die Treppe runtertragen, sie weint, weil sie sich nicht traut. Dann zeige ich ihr das Körbchen. Sie ist offensichtlich platt. Ich lege mich ins Bett. Der Hund legt sich davor. Ich wieder hoch, Decke holen. Eine Hand aus dem Bett auf dem Hündchen, dann schlafen wir beide.
Am nächsten Tag Inspektion des neuen Reiches:
Man sieht jede Rippe. Sie heisst morgens Greta. Die Nachbarin sagt, wäre wohl eher eine Gräte als eine Greta…. Sie ist so erschöpft, dass sie bei den kleine Spaziergängen nicht rechts oder links schnüffelt, nur Durchfall, dann liegt sie auf dem Weg. Ab nach Hause.
Greta hat Dauerdurchfall. Würmer etc. en masse. Ab zum Doktor. Wurmkur, Grunduntersuchung. Der Durchfall lässt nicht nach. Doktor. Keine Würmer mehr, diverse Tests: wird eine Allergie sein. Wir testen uns im 2-3 Wochen Abstand durch verschiedene Futter. Nach 3 Monaten haben wir es: am Ende wird es Fisch mit Reis, sie nimmt endlich zu, Durchfall wird besser.
Tierartzbesuche sind das Grauen fürs Gretchen, sie geht schon rückwärts 2 Ecken vor dem Haus. Im Wartezimmer wird das Fenster fixiert, ob man da wohl flüchten könnte und leise geweint. Eine Spritze: Geschrei. Belohnung: nein danke, bin doch nicht käuflich, könnte auch vergiftet sein….
Und sie wächst noch! Erst in der Höhe auf 65 cm, dann im Brustkorb (heute: 35 kg) . Heisst also, sie ist viel jünger. Schön. Es kommt Leben in den Hund, spielen, toben, rennen.
Es wird fleissig gelernt: Die böse (offene) Treppe gehen: nach 3 Tagen. 2tes Körbchen für oben anfordern und bekommen: 7 Tage. Vorbildlich an der Leine gehen: macht sie ganz von allein. Sitz, Platz, Peng: 3 Wochen. Leute nicht anspringen, nicht hinter Fahrrädern her rennen: 6 Wochen. Ins Auto springen: stolze 3 Monate (und lange Ärmchen bei mir, Heben macht ja besonders Freude im Herbst, wenn das Tier schön triefnass und matschig ist).
Nach 4 Wochen kommt sie von der Leine. Aufregend. Es geht gut, sie hat einen mittleren Aktionsradius, behält mich aber im Auge. Ein einziges Mal läuft sie mir weg, beim Abend-Gassi. Nach 15 Minuten rufen und suchen gehe ich nach Hause (5 Minuten), in Tränen aufgelöst und mit schlimmsten Visionen. Greta sitzt vor der Tür. War wohl der Hunger… große Erleichterung, denn sie musste dafür über eine Strasse….. puh, Glück gehabt.
Jeden Morgen, den ich aufwache, greife ich als erstes zu meinem Hündchen vor dem Bett. Wir sind völlig glückselig zusammen. Sie ist hier und da etwas schüchtern und ängstlich (bestimmter Männer-Typ, dominante Hunde), superlieb, freundlich, anhänglich, fröhlich, gutmütig, sensibel (obwohl sie grobmotorisch spielt), kuschelig, geduldig. Selbst die alte Grummel-Luga ist ihre beste Freundin geworden, und hat ihr gezeigt, dass man beim Wandern ruhig mal hinter dem Murmeltier her kann, passiert nix - die freuen sich garantiert wie Bolle, wenn man wieder auftaucht.
Sie liebt es, im Garten zu sein und ein bisschen aufzupassen und anzuschlagen (darf sie gern, ist kein Dauergekläffe), mit dem Herrn des Hauses verstecken zu spielen, Katzen zu verscheuchen (willkommene Aufgabe, die töten allzu gern meine Frösche und Singvögel, da hier ein Dutzend ohne Glöckchen rumrennt) und Nachbars Hühner durch den Zaun niederzustarren – der Zaun verhindert Übergriffe – Greta ist eindeutig „wild“ auf Federvieh, Katzen, Eichhörnchen etc..
Ansonsten begleitet sie mich ins Büro und ist da ebenso brav wie beliebt und alle Ferien geht es Wandern oder ins Grüne. Sie hat Jagdtrieb, aber nicht sehr energisch, will heissen: Bei einem Kaninchen vor der Nase kann man sich das hinterher brüllen sparen, sie kommt aber fix wieder (1,2 Minuten).
Sie spielt gern mit anderen Hunden, man muss ein wenig gucken – bei den kleinen ist sie schon mal zu grobmotorisch (Problem sind mehr die Besitzer) und bei großen, dominanten Damen muss ich aufpassen, da sie sich schreiend hinschmeisst, wenn sie ernsthaft angegriffen wird und sich nicht wehrt. Sie hat aber viele HundefreundInnen.
Ich bin jeden Tag verliebt in meinen Hund. Sie ist ein aussen robustes und innen zartes Goldstück. So sieht sie heute aus, mit geschätzten 5 Jahren:
Sie ist eindeutig eher ein Landei, wie ich. Man kann sie mitnehmen durch eine Stadt, Läden, etc. Aber richtig gern mag sie das nicht, das ganze Gewusel macht sie leicht nervös und sie ist froh, wenn es vorbei ist. Restaurant kein Problem, man nimmt eine Mini-Decke, dann liegt sie da, auch 3 Stunden. In fremden Wohnungen ist sie auch zunächst nervös. Ist überhaupt beim Woanders-Sein DAS Rezept: eigene kleine Decke, dann weiss sie, das ist mein Platz, alles ist gut. Sie kann ganz allein bleiben, sie schläft dann und ist beleidigt, das bekommt man beim Nachhausekommen gezeigt: nix großer Freudentanz (der kommt sonst immer, wenn ich mal eine Stunde weg bin und sie bei meinem Mann ist). Das kommt aber selten vor (Kino, Theater), sonst ist sie immer dabei.
Ich denke, es geht ihr sehr gut, zum Schluss noch ein paar Schnappschüsse „aus dem Leben“:
Tschüss, uns geht's gut, ich danke Euch für Gretas Rettung und hoffe, dass noch ganz viele von den netten Hunden der PHU bald ein Zuhause finden. Das Leben kann so aufregend sein. Jetzt sind wir müüüde.